Neben der Schule kann auch die Jugendarbeit Medienkompetenz an Jugendliche vermitteln: Computer-Workshop im Cafe Netzwerk des Kreisjugendrings in München im Januar 2016. (© SZ Photo | Robert Haas )
Jugendarbeit als eigenständiges Erziehungsfeld und als weitere Sozialisationsinstanz neben dem Elternhaus, der Peergroup und den Institutionen des schulischen und beruflichen Bildungswesens ist nach § 11 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) heute Teil der Kinder- und Jugendhilfe. Dort ist das Recht von Kindern und Jugendlichen auf Erziehung verankert, und dieses ist auf das Ziel verpflichtet, die persönliche und soziale Entwicklung Heranwachsender zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern. An die Interessen und Bedürfnisse der jungen Menschen anknüpfend gilt es, ihnen Lernfelder zu eröffnen, damit Heranwachsende lernen, selbstbestimmt politische und gesellschaftliche Prozesse zu verstehen und zu gestalten.
Die Angebote der Jugendarbeit, die ihnen dafür zur Verfügung gestellt werden, sollen sich explizit an alle jungen Menschen richten, also im Unterschied zu anderen Feldern der Jugendhilfe nicht problemgruppenorientiert strukturiert sein. Öffentliche und freie Träger nehmen die Aufgaben der Jugendarbeit wahr, wobei hinsichtlich Trägern, Inhalten, Arbeitsformen und Methoden eine große Vielfalt vorzufinden ist. Eine zentrale Stellung nimmt die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK) ein, die sich für die Förderung einer ganzheitlichen, umfassenden Medienpädagogik und Medienkompetenz einsetzt.
Erikson Stufenmodell: psychosoziale Entwicklung in acht Stufen (© Eigene Darstellung Ganguin/Sander)
Da die Teilnahme an den Angeboten der Jugendarbeit freiwillig ist und in der Freizeit von Heranwachsenden stattfindet, gilt es, Erfahrungs- und Lernfelder zu bieten, für die sich junge Menschen begeistern (lassen). Allerdings wird seit einigen Jahren kritisiert, dass die Jugendarbeit aufgrund konkurrierender Freizeit-Veranstalter an Attraktivität verliert. Eine weitere Ursache für das (scheinbar) sinkende Interesse Jugendlicher an Angeboten der Jugendarbeit wird darin gesehen, dass der Alltag Heranwachsender neben der Schule häufig sehr durchgetaktet ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach den heutigen Bedürfnissen und Interessen Jugendlicher. Welche Themen bewegen die Jugendlichen und welche Orte des selbstbestimmten Austauschs sind ihnen daher in einer sich wandelnden Gesellschaft bereitzustellen, um ihnen Teilhabe und die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben zu ermöglichen? Diese Entwicklungsaufgaben sind Anforderungen, so der US-amerikanische Psychologe Erik Erikson (1902–1994), die Menschen im Laufe ihres Lebens bewältigen müssen, um sich körperlich, geistig und sozial weiterzuentwickeln. Diese Aufgaben sind eng mit den Herausforderungen und Chancen verbunden, die im jeweiligen Lebensabschnitt auftreten.
Freizeitaktivitäten Jugendlicher – Digitale Medien als Sozialraum
Da Jugendarbeit den Anspruch erhebt, sich an der Lebenswelt und dem Alltag junger Menschen zu orientieren, ist es sinnvoll, bei den Freizeitinteressen von Kindern und Jugendlichen anzusetzen. Werden die wichtigsten Freizeitaktivitäten betrachtet, dann zeigt sich, dass ihr Alltag stark durch Mediennutzung dominiert wird.
Bei einem quantitativen Vergleich zwischen medialen und non-medialen Freizeitaktivitäten belegen Handy-, Internet- und Fernsehnutzung die oberen Plätze, gefolgt von persönlichen Treffen mit Freunden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich diese Aktivitäten gegenseitig durchdringen. So spielt etwa beim Zusammensein im Freundeskreis das Smartphone eine bedeutsame Rolle, indem es auch als Kommunikationsmedium dient, um sich etwa zu verabreden oder auszutauschen. Gleiches gilt heute für das Internet, das nahezu vollständig in den bundesdeutschen Haushalten vorhanden ist, in denen Jugendliche leben; die Voraussetzung des sozialpädagogischen Ziels von Chancengleichheit im Netz ist demzufolge formal gegeben. In der realen Nutzung zeigen sich aber deutliche Unterschiede, die auch soziale Ungleichheiten erzeugen.
Jugendmedienarbeit braucht nachhaltige Strukturen
Das Internet ist heute ein soziokultureller Ort für junge Menschen – nicht nur ein Medium, sondern ein virtueller Lebensraum, der Teilhabe an Kultur ermöglicht. Doch die Selbstverständlichkeit, mit dem sich Jugendliche heute im Netz bewegen, bedarf auch eines kritischen Blicks. Neben den Chancen von Social-Media-Angeboten wie der Selbstpräsentation, dem Spielen mit der eigenen Identität, neuartigen Kontaktaufnahmen und der Kommunikation mit anderen Nutzer:innen gehen auch Risiken einher, die etwa mit den Fragen nach der informationellen Selbstbestimmung (dies ist ein Datenschutz-Grundrecht zur Preisgabe und Verwendung personenbezogener Daten), des Datenschutzes, des Jugendmedienschutzes und der Privatsphäre verbunden sind.
Diese Probleme zeigen sich beispielsweise dann, wenn Online-Dienste den Nutzer:innen nicht das Recht zugestehen, Informationen über sich zu löschen. Weiterhin ergeben sich Risiken, wenn persönliche Informationen ausgespäht werden oder wenn ein unsensibler, unreflektierter Umgang mit persönlichen Daten. Dies geschieht etwa durch Veröffentlichung individueller Vorlieben, der Telefonnummer oder den Missbrauch des Internets, um andere junge Menschen zu belästigen und zu nötigen, wie es beim Cyberbullying und -mobbing der Fall ist.
So sind Nutzen und selbstbestimmtes, kritisches Handeln nicht gleichzusetzen. Jugendliche bedürfen mehr und mehr der Förderung eines medienkompetenten Umgangs. Das heißt, die Neugier von Kindern und Jugendlichen auf Kommunikation so zu wecken, dass sie autonom und zugleich sozial verantwortlich in eine gemeinsame Gesellschaft hineinwachsen.
Da Jugendarbeit sich an den gesellschaftlichen Veränderungen zu orientierten hat, muss auch eine verstärkte Jugendmedienarbeit stattfinden. Obwohl von der Politik seit Jahren der Erwerb einer umfassenden Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen gefordert wird, mangelt es zurzeit an der finanziellen Unterstützung, bildungspolitischen Umsetzungen und an nachhaltigen Strukturen. In diesem Sinn gilt es, neben der wichtigen Integration der Förderung von Medienkompetenz in die schulische Bildung auch den außerschulischen Bereich der Pädagogik gleichberechtigt einzubeziehen.